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Angebliche „Vollbesetzung“: Stimmt nicht!

Der Lehrkräftemangel schlägt an den Schulen voll durch, das Kultusministerium spricht trotzdem von „Vollbesetzung“ – weil es Maßnahmen auf Kosten der ohnehin überlasteten Lehrkräfte einfach in Lehrerstellen umrechnet. Das geht aus Sicht des BLLV gar nicht!

"Es ist ganz klar: Wir haben viel zu wenig Kolleginnen und Kollegen. Das führt dazu, dass Kollegen aufgrund der Überbelastung nach einem Jahr zusammenbrechen und dann auch noch ausfallen."

So zitiert der Bayerische Rundfunk eine Münchner Lehrerin, die bewusst anonym bleiben will. Die Folgen sind bekannt und dramatisch: An vielen Schulen findet nur noch das „Kerngeschäft“ statt, Ausflüge, Klassenfahrten, AGs und Sportstunden fallen vielerorts aus, so der BR.

Die Lücke wird zunächst eingestanden…

Der BLLV fordert seit Langem, die Politik müsse sich ehrlich machen und den enormen Personalmangel eingestehen. Denn nur aufgrund einer ehrlichen Analyse lassen sich auch passgenaue Gegenmaßnahmen ergreifen. Doch zur Irritation vieler Bildungsexperten spricht das Kultusministerium von „Vollbesetzung“. Zwar konstatiert es selbst eine Differenz zwischen den Zahlen aus der Bayerischen Lehrerbedarfsprognose und dem prognostizierten Angebot an neuen Lehrkräften: für Grund- und Mittelschulen lag dieser für 2022 bei je 300 Lehrkräften.

Doch um diese Lücke als geschlossen zu bezeichnen bedient man sich eines Zahlenspiels, das der BLLV höchst kritisch sieht: Zum einen werden Quereinsteiger, die inzwischen verstärkt eingesetzt werden, dabei voll in die Zahlen mit eingerechnet – obwohl es hinsichtlich Qualifikation und Ausbildung enorme Unterschiede gibt zwischen Quereinstieg mit akademischem Abschluss und zweijährigen Referendariat versus der Entfristung von Substitutions-, Aushilfs- und Teamlehrkräften, die lediglich eine pädagogische Kurzausbildung erhalten. Beide Gruppen brauchen in jedem Fall Unterstützung durch die voll ausgebildeten Lehrkräfte vor Ort, was zunächst zusätzliche Belastung bedeutet.

…aber dann schöngerechnet

Zum anderen rechnet das Kultusministerium seine Notmaßnahmen einfach direkt in Lehrerstellen um: Eingeschränkte Teilzeitmöglichkeiten, Arbeitszeitkonten und Anhebung der Altersgrenze für den Antragsruhestand – obwohl damit kein einziger zusätzlicher Mensch verfügbar ist! Der BLLV hat von Anfang an gegen diese Maßnahmen protestiert, weil klar war, dass diese zu einer enormen Mehrbelastung der noch im System tätigen Lehrkräfte gehen. Eine Anfrage im Landtag hat aktuell ergeben, dass die Zahl der begrenzt dienstfähigen Lehrkräfte nach Einführung der Maßnahmen sprunghaft auf das Dreifache angestiegen ist.

Das alles bestätigt also genau die Aussage der Lehrerin, die wohl ganz bewusst anonym bleiben wollte. Der Bayerische Rundfunk hat bei Kultusminister Piazolo nachgefragt, ob die öffentlichkeitswirksam kommunizierte angebliche „Vollbesetzung“ auf dem Rücken der vorhandenen Lehrkräfte erreicht werde. Seine vieldeutige und vielsagende Antwort: "Genau das wollen wir nicht – aber ich kann ja auch keine Entwarnung geben. Das ist vielleicht gerade das Hauptthema im Kultusministerium."

„Es wird einfach weitergemacht, als wäre nichts passiert“

Wenn aber Lehrkräfte massiv überlastet sind, bei Quereinsteigern teils die pädagogische Qualifikation fehlt und insgesamt schlicht nicht genügend Menschen an den Schulen verfügbar sind, dann geht das ganz klar zu Lasten der Bildungsqualität und der Bildungsgerechtigkeit. Denn so leiden die Schülerinnen und Schüler am meisten, deren Eltern nicht in der Lage sind, die Missstände durch eigenen Zeiteinsatz oder Zukauf von Nachhilfe auszugleichen.

All das hat zudem Auswirkungen auf die Nachwuchsgewinnung. Christoph Regl, Pädagogik-Dozent an der Ludwig-Maximilians-Universität München, schildert das dem Bayerischen Rundfunk so: "In jeder normalen Firma setze ich mich mit den Leuten zusammen, reagiere darauf, was machen wir anders. Aber es wird einfach weitergemacht wie im Kommunismus, als wäre nichts passiert. Es ist unsäglich. Und die jungen Leute sagen: Nö, ohne mich."

Auswege

Dabei sind die nötigen Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel aus Sicht des BLLV klar und diese konstatiert auch der Bayerische Rundfunk: Es braucht attraktivere Arbeitsbedingungen, eine flexible und moderne Lehrkräftebildung, mehr Eigenverantwortung für Schulen und den Abbau starrer Strukturen im Bildungssystem. Lehrkräfte brauchen starke Rückendeckung und Wertschätzung der gesamten Gesellschaft.

Welche Schritte es im Detail braucht, damit Bildung in diesen herausfordernden Zeiten so gelingen kann, dass junge Menschen befähigt werden, werteorientiert für eine lebenswerte Zukunft einzustehen, das zeigt der BLLV von 18. bis 20. Mai auf seiner Landesdelegiertenversammlung in Würzburg auf unter dem Motto „Bildung kann’s. Wir können Bildung“ – und wird dort auch den intensiven Dialog mit den politischen Verantwortlichen weiterführen.



Landesdelegiertenversammlung

Vom 18.-20. Mai in Würzburg arbeitet der BLLV die Schlüsselrolle von Bildung heraus - und stellt klar, was sich ändern muss, damit Pädagoginnen und Pädagogen sie professionell umsetzen können. » bllv.de/ldv